31. Oktober 2023
Konzeptpapier “Das Kitasystem neu denken” veröffentlicht
Die AWO NRW will Fachkräfte entlasten und Qualität sichern.
Kinderbetreuung mit Zukunft: Die Landesarbeitsgemeinschaft der AWO NRW hat ein Konzept erarbeitet, in dem Strategien aufgezeigt werden, um die hohe Qualität der pädagogischen Arbeit in Kindertageseinrichtungen zu sichern und gleichzeitig dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen. Viele dieser Konzepte sind zum Teil seit Jahren Alltag in den von der AWO betriebenen Einrichtungen. Heike Brünnich (Geschäftsführung des Geschäftsfeldes Kindertageseinrichtungen) und Thomas Euler (Vorstandsvorsitzender) vom AWO Bezirksverband OWL sprechen über die vorgelegten Konzepte und die Implementierung von neuen Professionen im Kita-Bereich.
F: Frau Brünnich, das vorgelegte Konzeptpapier steht unter dem Motto „Das Kitasystem neu denken“. Was am Kitasystem muss neu gedacht werden und warum?
A: Der Mangel an Fachkräften in den frühpädagogischen Einrichtungen wächst. Die gesetzlichen Vorgaben sind schon jetzt kaum mehr zu erfüllen. Wenn die Ressourcen für die Kernaufgaben von pädagogischen Fachkräften fehlen, drohen Konsequenzen bis hin zur Schließung von Einrichtungen. Dies gilt es natürlich zu verhindern, insofern herrscht hier unbedingt dringender Handlungsbedarf.
F: Der Mangel an Fachkräften ist schwerwiegend, gleichzeitig steigen aber die Qualitätsansprüche in den Kitas. Welche Antworten hat die AWO auf dieses Dilemma?
A: Viele Ideen aus dem Konzept „Das Kitasystem neu denken“ sind heute schon gelebte Praxis in den Tageseinrichtungen der AWO OWL. Ein Punkt, in dem wir sehr gute Erfahrungen gemacht haben, ist der Einsatz von multiprofessionellen Teams: Personen mit unterschiedlichen Qualifikationen und Berufsabschlüssen übernehmen verschiedene Aufgaben und ergänzen einander. Vorhandene Ressourcen können so bestmöglich ausgeschöpft, eine ganzheitliche Bildung sichergestellt werden. Dieses Konzept werden wir weiter ausbauen.
F: Welche konkreten Effekte versprechen Sie sich aus dem vorgelegten Konzeptpapier?
A: Das Ziel muss es sein, Fachkräfte zu entlasten, ihnen mehr Zeit für ihre Kernaufgaben zu geben und somit die frühpädagogischen Einrichtungen für die Zukunft verlässlich aufzustellen. Der Einsatz von nicht-pädagogischen Professionen in Bereichen wie z. B. Hauswirtschaft oder Verwaltung muss ausgeweitet werden, um mit den unvermeidlichen Personallücken in den nächsten Jahren umgehen zu können. Dazu sollte die Politik einen entsprechenden gesetzlichen und finanziellen Rahmen aufstellen.
F: Gibt es bereits Konzepte aus der Praxis, die ausgebaut werden sollten?
A: Ansätze wie das Kita-Helfer*innen-Programm oder die befristete Ausweitung der Personalverordnung sind bereits gute Konzepte, die unbedingt weitergedacht werden müssen. Wir als AWO OWL qualifizieren beispielsweise schon seit 2017 Integrationsbegleiter*innen, die die pädagogischen Fachkräfte unterstützen. Mit dieser Praxis haben wir positive Erfahrungen gemacht und begrüßen daher derartige Programme sehr. Wichtig sind die langfristig gesicherte Finanzierung und die Perspektive für die Mitarbeitenden, um Personal in den Einrichtungen halten zu können.
F: Herr Euler, wie sehen die Schritte aus, die die Politik gehen muss, um die Strategien aus dem Konzeptpapier umzusetzen?
A: Es bedarf einiger Veränderungen im Kinderbildungsgesetz (KiBiz), um die Maßnahmen umsetzen zu können, die wir für notwendig halten. Diese betreffen insbesondere den vermehrten Einsatz von profilergänzenden Kräften in den Einrichtungen. Ein weiterer Schritt wäre die auskömmliche Finanzierung von z. B. Verwaltungskräften und Fachberatung.
F: Sind die dargelegten Ideen die Lösung für den Fachkräftemangel im Bereich der Kindertageseinrichtungen?
A: Allein sicherlich nicht – sie sind ein wichtiger Schritt, um in den nächsten Jahren weitere Abwanderungen von Kita-Personal zu vermeiden und neue Personengruppen zu gewinnen. Doch die vorgeschlagenen Maßnahmen müssen unbedingt mit weiteren Maßnahmen wie der Expansion von Ausbildungskapazitäten, einer Neu-Modellierung von Ausbildung und Qualifizierung oder der auskömmlichen Finanzierung des Kitasystems zusammengedacht werden. Dann ist der Fachkräftemangel nicht mehr nur ein Problem, sondern auch ein Anreiz, neu zu denken und neue Qualität zu schaffen.
Das gesamte Konzeptpapier ist hier einsehbar: Konzeptpapier ,,Das Kitasystem neu denken”