23. Mai 2025

AWO lädt zum Fachtag zu Elternschaft und Social Media in Minden

OGS- und Kita-Leitungen, Jugendamts-Mitarbeiterinnen und Fachreferenten im Sozialen Dienst: Sie alle haben, ob gewollt oder nicht, in ihrem Berufsalltag mit digitalen Themen zu tun – und das immer mehr. Für Fachpersonal und weitere Multiplikator:innen hat die AWO OWL vergangene Woche einen Fachtag im Seniorenzentrum Robert-Nussbaum-Haus veranstaltet. Titel des Vortrags der Referentin Amanda Edler war „Instamoms – Familyfluencer – Tradwives: Elternschaft und Familie heute im Kontext von Mediatisierung und Social Media“.

In ihrem Vortrag gab Edler spannende Impulse mit Bezug zur praktischen Sozialen Arbeit in Kontexten rund um Familie. Mit der Social-Media-Plattform Instagram, die stereotypisch für eine heutige Kultur der Digitalität steht, eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten: Jede Person kann Inhalte konsumieren, aber auch veröffentlichen. Mit bezahlten Anzeigen, in denen Influencer Produkte bei ihren Followern bewerben, werden diese Profile zum lukrativen Geschäft.

Sogenannte Instamoms machen sich dieses Prinzip zunutze: Sie zeigen ihren Followern den Alltag mit Kindern und Familie, Haushalt und Carearbeit. Was hier als authentisch und nahbar ankommt, ist allerdings pure Inszenierung. Fotos und Videos im Feed und Storys, die 24 Stunden nach Veröffentlichung automatisch verschwinden, suggerieren, dass hier eine Mutter aus ihrem echten Familienleben berichtet, das aufregend, liebevoll und bunt ist – genau wie bei Müttern, die diese Inhalte verfolgen und sich die Profile zum Vorbild nehmen. Dabei ist genau diese inszenierte Authentizität Teil eines Geschäftes, mit dem sich viel Geld verdienen lässt. Wer sich selbst und die eigene Mutterschaft mit diesen Bildern vergleicht, stellt schnell fest, dass auf Instagram vieles anders aussieht als im eigenen Leben – gerade dann, wenn das eigene Muttersein und Familienleben eben nicht die hier geschürten Erwartungen erfüllt.

Auch für die eigenen Kinder lauern dabei Gefahren. Bei sogenannten Familyfluencern, die nicht nur sich selbst, sondern völlig selbstverständlich auch ihren Nachwuchs in der Öffentlichkeit zeigen, gibt es oftmals keine Grenzen mehr: Von Wutanfällen über Schwimmunterricht bis hin zu Töpfchentraining werden intimste Alltagsmomente dokumentiert. Ein kürzlich veröffentlichtes Rechtsgutachten bringt nun erstmals Bewegung in die Thematik: In solchen Fällen kann unter gewissen Bedingungen eine Kindeswohlgefährdung vorliegen.

Mit den „Tradwives“ wird die traditionell ausgerichtete öffentliche Präsenz auf die Spitze getrieben: Hier geht es um Frauen, die sich bewusst als Hausfrau und Mutter inszenieren und damit verbunden scheinbar auf die Ausübung eines weiteren Berufs verzichten. Dadurch werden nicht nur extrem patriarchale Strukturen zum Ideal erhoben, sondern es wird auch unterschlagen, dass diese Profile wiederum als Geschäftsmodell betrieben werden – wenngleich hier die Ideologie im Vordergrund steht. 

Eine zentrale Frage bei all diesen Phänomenen ist, wie sich solche Darstellungen auf junge Frauen auswirken, die diese tagtäglich konsumieren. Profile aus diesen Kontexten werden teils als Idealbild verstanden, an dem die Realität nur scheitern kann. Wer hat zwischen Kindererziehung, Teilzeit-Job und Haushalt schließlich noch die Ressourcen dafür, Pausenbrote in kunstvolle Formen schnitzen, den Adventskalender selbst zu basteln oder das Karnevalskostüm selbst zu nähen? Diesem Erwartungsdruck können junge Mütter auf Dauer nicht standhalten. Deshalb empfiehlt Edler offene Angebote für Begegnung und Austausch unter Eltern im realen Leben, um einen realistischen Blick auf Mutterschaft und Familienleben zu erhalten. Auch Bildungsangebote für mehr Medienkompetenz bei Erwachsenen können helfen, bei Instagram gesehene Inhalte richtig einordnen zu können. In der anschließenden Podiumsdiskussion, an der neben Amanda Edler auch Cristina Niehues (Erziehungswissenschaftlerin und Systemische Familientherapeutin), Regina Reichart-Corbach (Beratungsstelle für Schul- und Familienfragen des Kreises Minden-Lübbecke), Dorothea Wiese (Kreisjugendamt Minden-Lübbecke) und Mareike Ede (Drogenberatung des Kreises Minden-Lübbecke) teilnahmen, ging es insbesondere um junge Menschen, die zunehmend auf digitale statt auf analoge Angebote zurückgreifen. Das Smartphone ist heutzutage eben stets zur Hand und so holen sich junge Erwachsene häufig Unterstützung oder Inspiration über Instagram – oder sogar über Chat GPT. Dorothea Wiese machte deutlich, dass es für genau diese Zielgruppe ja gute und etablierte Angebote gibt, mit den Frühen Hilfen sogar durch den Bund gefördert. Diese Angebote werden aber zum Teil nur sporadisch angenommen. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass der klassische Gesprächskreis inzwischen nicht mehr zeitgemäß ist. Die Bedürfnisse junger Menschen, die hinter dem Konsumieren von Inhalten bei Instagram stecken, müssten besser erfasst werden, um sie durch entsprechende Angebote in der Sozialen Arbeit aufgreifen zu können, meint Amanda Edler. Für Akteure in Schulen, Jugendämtern, Kitas, OGS, Beratungsstellen und auch für die Politik stellt dies eine Herausforderung dar, die sicherlich noch über die nächsten Jahre hinweg wichtig bleiben wird.