AWO OWL

Mehr Beteiligung für junge Menschen gefordert

Die AWO Freiwilligenakademie OWL hat kurz vor Ostern Jugendliche aus Bielefeld mit Entscheider*innen aus Politik und Gesellschaft zusammengebracht. Das Thema: Corona und seine Auswirkungen.

An der Veranstaltung unter dem Motto "Ich pack das mit dir, Politik!?" in der Ravensberger Spinnerei nahmen rund 40 Jugendliche teil sowie Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung wie die Bürgermeisterin Christina Osei, die Vorsitzende des Jugendausschusses Regine Weißenfeld und Ulrike Bülter, die seit kurzem das Bielefelder Jugendamt leitet. Speziell den jungen Menschen sollte so eine Plattform geboten werden, auf der sie ihre Erfahrungen in der Corona-Zeit schildern konnten. Wie haben sie sich gefühlt und was erwarten sie jetzt von der Politik und der Gesellschaft? Dabei wurde erst Klartext geredet, dann wurden konkrete Ziele festgehalten.

Junge Menschen in Corona-Zeit vernachlässigt

Die Bedarfe von Kindern und Jugendlichen seien bei der Umsetzung der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie an vielen Stellen nicht ausreichend einbezogen worden, sagte Angela Lück, Vorsitzende des Präsidiums der AWO OWL, in ihrer Begrüßung.
„Leider ist es generell so, dass Kinder und Jugendliche in der Regel keine Stimme bei Entscheidungsprozessen haben, die sie dennoch unmittelbar betreffen“, schilderte Gastgeberin Gabi Stillger, Geschäftsführerin bei der AWO OWL, den Ausgangspunkt der Veranstaltung. Daher gehörte der Hauptteil der Veranstaltung auch den Jugendlichen.

An verschiedenen Mitmach-Stationen zu Schwerpunktthemen wie Schule, Freizeit, Familie und Sport erzählten sie, wie sie sich in den vergangenen zwei Jahren gefühlt haben. Sie schilderten eindrücklich, vor welche Herausforderungen sie zum Beispiel das Home Schooling gestellt hat, wie sehr sie soziale Kontakte vermisst und welche Zukunftsängste sich über die Zeit entwickelt haben. Dabei wurde deutlich, dass die Zeit der Pandemie sich teilweise dramatisch auf die Biographien junger Menschen ausgewirkt hat.

„Scheiße“, „frustrierend“ und „hoffnungslos“. Mit Begriffen wie diesen schilderten einige schonungslos ihre Lage und ihren Gemütszustand. Einige Jugendliche schilderten auch schöne Erlebnisse mit der Familie und gaben an, in der Zeit viel über sich selbst gelernt zu haben. Überwiegend aber waren die emotionalen Schilderungen von Herausforderungen und Problemlagen gekennzeichnet.

Konkrete Lösungsansätze für die Zukunft

Es muss sich an der Teilhabe junger Menschen etwas ändern. Darüber waren sich schließlich alle Beteiligten einig. In der Abschlussdiskussion im „Fish Bowl“-Format wurden konkrete Ziele in einigen zentralen Punkten festgehalten. Regelmäßige Austausche sollen zukünftig die Bedarfe der jungen Menschen mehr in den Fokus nehmen. Dabei sollen ihre Bedürfnisse nicht nur auf Bildung reduziert werden, wie zeitweise während der Pandemie. Bessere Kommunikationsstrukturen und neue Beteiligungsformate sollen die Stimme der jungen Menschen in der Öffentlichkeit stärken.

Viele Jugendliche sahen gerade in ihrer Ansprache ein wesentliches Problem. „Hier habe ich erst erfahren, dass es auch Hilfsangebote gab, aber wir als Zielgruppe einfach nicht erreicht wurden. Wir wünschen uns eine direktere Ansprache, zum Beispiel in der Schule – und zwar nicht mit einem Plakat an der Wand, sondern durch die Lehrer*innen direkt oder mit Hilfe der Schülervertretungen“, schilderte ein Oberstufenschüler seinen Eindruck.
Dies unterstrich auch Gastgeberin Gabi Stillger von der AWO: „Die Pandemie hat uns überrollt, aber die Fragen der Beteiligung von jungen Menschen stellten sich schon vorher. Es ist viel Arbeit unter den Erwachsenen nötig, um eine echte Kinder- und Jugendbeteiligung zu entwickeln. Es braucht adäquate aufsuchende Jugendarbeit und ein neues Selbstverständnis.“

Ziel: Ein neues Selbstverständnis entwickeln

Ein neues Selbstverständnis war auch ein zentraler Wunsch der jungen Menschen. „Für mich war es das erste Mal, dass ich wirklich das Gefühl hatte, dass mir Erwachsene zuhören“, sagte einer der Jugendlichen im Anschluss an die Veranstaltung. Die jungen Menschen äußerten deutlich ihre Freude über den offenen Austausch und nahmen es als Wertschätzung war, dass so viele Erwachsene ihren Schilderungen lauschten. Vor allem aber wünschten sie sich echte Veränderungen und eine stärkere Einbeziehung in Entscheidungen, die ihre Lebenswelt direkt betreffen.

Die Veranstaltung fand im Rahmen des Modellprojekts "Ich pack' das!" der AWO Freiwilligenakademie OWL statt. Gefördert wird das Projekt durch die Aktion Mensch. 6 bis 27-jährige junge Menschen sollen gestärkt und unterstützt werden. Freiwilliges Engagement stellt mit der Methode des Empowerment-Ansatzes die Fähigkeiten und Stärken junger Menschen bei der Bewältigung von kritischen Lebenssituationen in den Mittelpunkt. Die Pandemie ist so eine Situation und hat vielfältige Auswirkungen auf den Alltag von Kindern und Jugendlichen, wie die eindrücklichen Schilderungen der Anwesenden nochmals unterstrichen.